Kürzlich hatte ich das Vergnügen, eine Woche lang an einem Foto-Workshop in Schottland teilzunehmen. Eine wunderbare Erfahrung, und das nicht nur ob sagenhafter Landschaften und daraus resultierenden Fotografien, und nicht nur wegen des Workshop-Leiters. Sondern eben gerade auch wegen der Workshop-Teilnehmer.
Mit Stefan Mayr und vier weiteren ambitionierten und passionierten Fotografen bewohnten wir eine Woche lang ein Cottage in den schottischen Highlands nahe der Insel Skye.

Die fünf Teilnehmer inklusive mir – nennen wir sie Hannah, Alex, Martin, Maximilian (ihr wisst, wer ihr seid), Joachim und der Leiter Stefan – machten für mich insgesamt den Mehrwert des Workshops gegenüber einer selbst und allein durchgeführten Reise aus. Nicht nur, weil man überhaupt jemanden zum reden hat, sondern gerade wegen ganz unterschiedlicher Ansätze.
Unterschied als Wert
Wenn ich mit lauter Menschen arbeite, die genauso arbeiten wie ich, dann werde ich eher nicht so oft die Gelegenheit haben, etwas zu lernen. Haben alle die gleiche Herangehensweise und ungefähr die gleiche Erfahrung, dann denken wir ähnlich, dann handeln wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich.

Um etwas neues zu erfahren, ist es jedoch notwendig, sich zum einen in neue Situationen zu begeben – das habe ich allein durch die Reise nach Schottland getan, wo ich vorher noch nicht war –, zum anderen auch sicherzustellen, dass die Menschen um mich herum anders sind als ich.
Die Unterschiede müssen nicht gravierend sein, dürfen aber. Eine verschiedene Stufe der Erfahrung ist schon gut, aber verschiedene berufliche Hintergründe und damit ganz andere Wege und Herangehensweisen sind noch besser. Verschiedene Persönlichkeiten schließlich sind die Krönung.
Inspiration statt Angleichung
Nun könnte man annehmen dass ein Kurs, ein Workshop dazu da sind, dass wir alle auf das gleiche Niveau kommen und alle eine bestimmte Vorgehensweise annehmen, dass wir uns angleichen. Dem ist mitnichten so.
Es geht nicht darum, dass wir uns angleichen. Natürlich erläutert der Leiter des Workshops Stefan, was er als Vorgehensweise empfiehlt, und macht dazu auch Übungen. Diese Übungen und Vorgehensweisen dienen jedoch dazu, den eigenen Werkzeugkasten zu vervollständigen, und somit die eigene Methode zu bereichern, nicht sie zu ersetzen.

Die anderen Teilnehmer des Workshops zu erleben heisst für mich nicht, ihre Vorgehensweisen 1 zu 1 zu kopieren, sondern dass ich mich von ihnen inspirieren lasse.
Was heisst nun Inspiration? Eben nicht, dass ich nun die Herangehensweise kopiere. Ebenso wenig, dass ich meine Ansichten ersetze durch fremde. Sondern dass ich meine Herangehensweise und Denkweise bereichere durch das, was ich bei anderen sehe. Gerade weil ich die Unterschiede sehe.
Wir bereichern uns also gegenseitig, indem wir verschieden sind und das auch reflektieren und kommunizieren, wie wir herangehen.
Fühlende, Analytiker, Architekten, Seher
Im konkreten haben wir alle fünf – sechs, wenn man den Workshopleiter mit einrechnet – verschiedene Arten zu fotografieren. Klar, ich war nun bei einem Foto-Workshop, deswegen schreibe ich übers Fotografieren. Ebenso trifft dies auf viele berufliche Vorgehensweisen zu, vor allem bei kreativen oder offenen Tätigkeiten, in Maßen aber ebenso bei Routinetätigkeiten. Denn auch kreative Fotografie ist von viel Routine geprägt.

Gleiches gilt für jede Art von Consulting, für Marketing, für Vertrieb, für Entwicklung, und was weiß ich noch alles.
Schauen wir auf sieben verschiedene Arten zu fotografieren. Ohne Wertung, sondern als Fest der Verschiedenheit. Bei allen hat sich die Art zu fotografieren während der Woche natürlich teilweise verändert. Meine Charakterisierung ist für verschiedene Teilnehmer nicht unbedingt zu einem Zeitpunkt gültig.
- Stefan: Der Profi. Sucht zunächst nach dem Gefühl in der Szenerie, sucht sich dann interessante Motive, baut gezielt an einem Punkt auf, macht sein Foto, und weiß dann bereits, welchen Punkt er als nächstes angeht. Naturgemäß sieht er Linien, Balance und Perspektive sehr fein und detailliert und passt Kameraposition an. Ganz selten mal ändert er nochmal die Brennweite.
- Alex: Der Wanderer. Zieht zunächst nur mit Kamera los und erkundet die Gegend. Erkennt sein Motiv, holt dann erst das Equipment wie Stativ und Filter. Ein ganz ruhiger Fotograf, der sich die Szenerie erwandert.
- Martin: Der Konstrukteur. Orientiert sich rasch im Gelände, sieht die für ihn wichtigen Elemente ziemlich schnell. Dann sucht er nach geometrischen Gesichtspunkten genau die Position, an der diese Elemente für ihn vollkommen perfekt in Beziehung stehen. Deshalb nenne ich ihn den Konstrukteur, weil er seine Fotos geometrisch konstruiert.
- Maximilian: Der Distanzgeher. Geht an der Location weite Strecken, sucht sich selbst einen Platz oft weit ab der Gruppe, auf den sonst eher keiner kommt. Macht ganz wenige Fotos.
- Hannah: Die Detailversessene. Legt sich gerne auf den Boden, sieht viel mit der Kamera und geht nah an Details ran. Auf diese Weise bekommt sie Perspektiven, die sonst keiner hat. Experimentiert viel. Ist viel im Gelände unterwegs, und eben viel unterhalb der Grasnarbe.
- Joachim: Der Suchende. Die überwiegende Zeit fotografiere ich dokumentarisch, eben Sport, Kirche und Portrait. Ich brauchte eine ganze Zeit der Suche, bis ich eine Verbindung zur Szenerie fand, und dann bis ich mein Motiv bestimmte. Ich wurde im Laufe der Woche ruhiger und machte in den letzten Tagen viel weniger Fotos als in den ersten. Ich fotografierte zum ersten Mal überhaupt ein Selbstportrait, und fand darüber die Verbindung zur Landschaftsfotografie.
Sieben Herangehensweisen, und von jedem der sechs anderen habe ich zum Ende der Woche etwas gelernt und ansatzweise ausprobiert.

Wie sich das für Teams in Prinzipien umsetzen lässt, die tatsächlich gemeinsam Ergebnisse erarbeiten, kannst du in meinem Blogpost Unterschiede in Teams: Inspiration statt Angleichung lesen.
Verschiedenheit annehmen – nicht leicht
Es fällt mir nicht leicht, Verschiedenheit immer anzunehmen. Ich scheitere, ich zetere, ich lehne bisweilen ab. Gerade deshalb war es für mich wichtig, die Prinzipien aufzuschreiben. Auch als Leitmotiv für mich selbst.
Anders bleiben
Und wie anders siehst Du das? Wo nimmst du Unterschiede als besonders positiv wahr?
Lasse die anderen Leser ebenso wie mich teilhaben an Deinen Gedanken und kommentiere!
Photo: www.joachimschlosser.de, License Creative Commons Attribution Share-Alike
